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Begleitend zur Retrospektive auf der diesjährigen Berlinale zeigt 3sat im Februar eine Reihe von Filmen des "New Hollywood Cinema". Für die kompletten Termine unten auf mehr klicken.
Nur die wenigsten der ausgestrahlten Filme sind, auch in der Originalfassung, bisher im Esel-Netzwerk verfügbar!
Die kompletten Termine:
Dienstag, 17. Februar 2004, 20.15 Uhr Die Reifeprüfung Spielfilm, USA 1967, 102 Minuten Regie: Mike Nichols Mit Dustin Hoffman, Anne Bancroft, Katharine Ross
Dienstag, 17. Februar 2004, 22.25 Uhr Easy Riders, Raging Bulls Dokumentation von Kenneth Bowser USA 2002, 117 Minuten Erstausstrahlung
Mittwoch, 18. Februar 2004, 22.25 Uhr Bonnie und Clyde Spielfilm, USA 1967, 106 Minuten Regie: Arthur Penn Mit Warren Beatty, Faye Dunaway, Gene Hackman
Freitag, 20. Februar 2004, 22.30 Uhr Bill McKay - Der Kandidat Spielfilm, USA 1972, 106 Minuten Regie: Michael Ritchie Mit Robert Redford, Peter Boyle, Allen Garfield
Sonntag, 22. Februar 2004, 23.45 Uhr Asphalt-Cowboy Spielfilm, USA 1968, 109 Minuten Regie: John Schlesinger Mit Dustin Hoffman, Jon Voight, Sylvia Miles
Dienstag, 24. Februar 2004, 22.25 Uhr Ehemänner Spielfilm, USA 1970, 136 Minuten Regie: John Cassavetes Mit Peter Falk, Ben Gazzara, John Cassavetes
Mittwoch, 25. Februar 2004, 22.25 Uhr Alice's Restaurant Spielfilm, USA 1969, 106 Minuten Regie: Arthur Penn Mit Arlo Guthrie, Pat Quinn, James Broderick
Donnerstag, 26. Februar 2004, 22.25 Uhr Der Dialog Spielfilm, USA 1973, 109 Minuten Regie: Francis Ford Coppola Mit Gene Hackman, John Cazale, Allen Garfield
Freitag, 27. Februar 2004, 22.30 Uhr Der König von Marvin Gardens Spielfilm, USA 1972, 99 Minuten Regie: Bob Rafelson Mit Jack Nicholson, Bruce Dern, Ellen Burstyn
Montag, 1. März 2004, 23.10 Uhr Ich bin Wanda Dokumentation von Katja Raganelli und Konrad Wickler Deutschland 1991, 61 Minuten
Dienstag, 2. März 2004, 22.25 Uhr Wanda Spielfilm, USA 1970, 97 Minuten Regie: Barbara Loden Mit Barbara Loden, Michael Higgins, Charles Dosinan
Mittwoch, 3. März 2004, 22.25 Uhr Paper Moon Spielfilm, USA 1972, 98 Minuten Regie: Peter Bogdanovich Mit Ryan O'Neal, Tatum O'Neal, Madeline Kahn
Donnerstag, 4. März 2004, 22.25 Uhr Chinatown Spielfilm, USA 1974, 125 Minuten Regie: Roman Polanski Mit Jack Nicholson, Faye Dunaway, John Huston
Freitag, 5. März 2004, 22.30 Uhr California Split Spielfilm, USA 1974, 104 Minuten Regie: Robert Altman Mit Elliott Gould, George Segal, Ann Prentiss
Weitere Infos zu den einzelnen Filmen gibt es bei 3sat.
"New Hollywood 1967 - 1976" Die Traumfabrik erfindet sich neu
"A man went looking for America. And couldn't find it anywhere."
Als 1969 "Easy Rider" mit diesem Slogan in die Kinos kam, konnte man die USA tatsächlich kaum noch wiedererkennen. Mitte der 60er Jahre war neben der schwarzen Bürgerrechtsbewegung eine weitere Front des Protests entstanden, die sich gegen den Vietnamkrieg richtete. Weite Teile der Bevölkerung wiederum flüchteten sich angesichts der Unruhen und der absehbaren Wirtschaftskrise ins konservative Lager, was 1968 zur Wahl Nixons führte. Spätestens nach der Ermordung Robert F. Kennedys im gleichen Jahr war das Land so zerrissen, wie selten zuvor. Diese Zersplitterung blieb auch auf die Filmindustrie nicht ohne Auswirkungen. Im Laufe der 60er Jahre war die Kinobegeisterung der Amerikaner ständig weiter gesunken. Überraschungserfolge wie "The Sound of Music" (1965) wurden krampfhaft zu kopieren versucht. Mit erfolglosen Großproduktionen wie "Cleopatra", "Hello Dolly!" oder "Doktor Dolittle" brachten sich die Produktionsfirmen an den Rand des Zusammenbruchs. Nach dem Ende des alten Studiosystems und seiner Mogule, die nun von Managern großer Konzerne abgelöst wurden, stand man den Erwartungen des Kinopublikums ratlos gegenüber.
Einer, der mit ausgeprägtem Geschäftssinn den Trend der Zeit erkannte, war Roger Corman . Für die unabhängige Verleihfirma AIP produzierte Corman schon seit 1954 unglaublich preiswerte B-Movies. Zu seinen Mitarbeitern zählten junge Filmemacher, die im verstaubten Klima Hollywoods mit seinen Hierarchien und mächtigen Gewerkschaften keine Beschäftigung fanden. Jack Nicholson, Peter Fonda und Bruce Dern wurden von Corman ebenso zu Dumping-Preisen angeheuert wie die späteren Regiestars Francis Ford Coppola, Martin Scorsese und Peter Bogdanovich oder die innovativen Kameramänner Laszlo Kovacs und Vilmos Zsigmond. Mit reichlich kruden Horror-, Sciencefiction, Surfer- und Biker-Filmen erreichte AIP ein junges Publikum, das Drive-in-Kinos besuchte und von den Majors ignoriert wurde, obwohl Kinobesucher unter 30 Jahren fast Dreiviertel des gesamten Zuschauermarktes ausmachten. Hier entstanden auch die Filme, die sich von den immer fragwürdiger gewordenen Normen und Mythen der amerikanischen Gesellschaft distanzierten, in denen der Ausbruch geprobt wurde – auch unter dem Einfluss bewusstseinserweiternder Drogen ("The Trip").
Jenseits der strengen Arbeitsteilung innerhalb der großen Studios, arbeitete man im Fahrwasser der Corman-"Schule", etwa bei der unabhängigen Produktionsfirma "Raybert" (später BBS) um Bert Schneider und Bob Rafelson, in einem Kollektiv mit relativ großen Freiheiten. Die Funktionen von Autor, Regisseur, Produzent und Schauspieler gingen oft ineinander über. Viele Filmemacher wie Coppola, Monte Hellman oder Martin Scorsese (der für Roger Corman "Boxcar Bertha" drehte), kamen frisch von den relativ neuen Filmabteilungen der Universitäten, wo sie auch auf die Filme von Truffaut, Godard, Fellini und Antonioni aufmerksam wurden. Arthouse-Kinos, die unter anderem auf ausländische Produktionen spezialisiert waren, erlebten eine Blütezeit. Die Themen suchten die Filmemacher entsprechend der "Nouvelle vague" vermehrt auf der Straße, im eigenen Alltag. Beziehungsprobleme wurden ebenso realistisch geschildert wie allgemeine Identitätsfragen, Drogenprobleme und das Leben in der Großstadt. Selbst wo man Genrestoffe inszenierte, waren die Filme näher am Lebensgefühl der Zuschauer, was auch die großen Studios überzeugte.
Seit der Stummfilmzeit war der Einfluss des europäischen Kinos in den USA nicht mehr so groß gewesen. Truffaut war sogar vorübergehend im Gespräch, Regie bei einem Film zu führen, der noch vor "Easy Rider" als Start des "New Hollywood" gilt: Arthur Penns Gangster-Ballade "Bonnie und Clyde" (1967). Auch wenn die auf realen Ereignissen basierende Geschichte in den 30er Jahren angesiedelt ist, traf der Film den Nerv der Zeit. Die beiden Amok laufenden "Helden" glichen in ihrer verzweifelten, orientierungslosen Rebellion einem großen Teil des überwiegend jungen Publikums, das sich einer spießig-autoritären Gesellschaft gegenüber sah. Trotz einer gewissen Konzentration auf das Corman-Umfeld und die BBS bildete das "New Hollywood" alles andere als eine homogene Gruppe. So unterschiedliche Regisseure wie Robert Altman ("M.A.S.H.", "McCabe & Mrs. Miller"), Sidney Lumet ("Serpico", "Hundstage"), Sam Peckinpah ("The Wild Bunch"), Arthur Penn ("Alice's Restaurant", "Little Big Man") und Sydney Pollack ("Nur Pferden gibt man den Gnadenschuß"), die alle vom Fernsehen kamen, zählen ebenso dazu wie Hal Ashby ("Harold und Maude", "Shampoo"), Peter Bogdanovich ("Die letzte Vorstellung", "Paper Moon"), John Cassavetes ("Ehemänner", "Eine Frau unter Einfluss"), Richard Friedkin ("Die Nacht, als Minsky aufflog"), Paul Mazursky ("Bob & Caroline & Ted & Alice"), Mike Nichols ("Die Reifeprüfung"), Alan J. Pakula ("Klute"), Bob Rafelson ("Der König von Marvin Gardens") und Jerry Schatzberg ("Panik im Needle Park"). Auch Terrence Malick ("Badlands") und Barbara Loden ("Wanda") drehten als Außenseiter wichtige Filme. Während viele dieser Regisseure ab Ende der 70er Jahre aber kaum noch mit bemerkenswerten Filmen in Erscheinung traten, war die Zeit des "New Hollywood" etwa für Coppola ("Der Dialog") und Martin Scorsese ("Hexenkessel", "Taxi Driver") Ausgangspunkt für großartige Karrieren. Auch Steven Spielberg ("Sugarland Express") und George Lucas ("American Graffitti") verdanken ihren Start ins Filmgeschäft dem Klima dieser Zeit. Noch größer ist die Zahl der Schauspieler-Stars, die damals ihre Fähigkeiten frei entfalten konnten und so den Durchbruch schafften. Was wäre das Hollywood-Kino der 80er und 90er Jahre gewesen ohne Jodie Foster, Ellen Burstyn, Faye Dunaway, Sissy Spacek, Jane Fonda oder Natalie Wood, ohne Jack Nicholson, Warren Beatty, Robert De Niro, Al Pacino, Dustin Hoffman, Gene Hackman, Dennis Hopper oder Robert Redford?
Die Blütezeit des amerikanischen "Autorenfilms", so sehr sie heute noch nachwirkt, währte kaum länger als ein Jahrzehnt. Gerade die größten Erfolge des "New Hollywood" ("Der Pate", "French Connection"), besonders aber "Der weiße Hai" (1975) und "Star Wars" (1977) weckten bei den großen Studios erneut die Gier nach Mega-Erfolgen. Der moderne Blockbuster , der an Produktions- und Marketingkosten alles andere an die Wand drückt, wurde geboren. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ein weiteres Essay zum "New Hollywood" gibt es beim Fluter.
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